
„Die Zulässigkeit des Betretens privater Wohnungen zur Erkundung von Grabstätten (...) stellt, auch unter Berücksichtigung der besonderen moralischen Verantwortung gegenüber den Opfern des Nationalsozialismus, keine unerlässliche Voraussetzung eines geordneten menschlichen Zusammenwirkens in der Bundesrepublik Deutschland dar.“ (LG Cottbus, Urteil v.6. Mai 2008, Az. 7 T 223/07)
In Lieberose / Jamlitz befindet sich in einem ehemaligen Außenlager des KZ Sachsenhausen der Ort, an dem die meisten Juden auf dem Gebiet des späteren Landes Brandenburg, vor allem aus Ungarn, ermordet wurden. Ein Massengrab ist bislang immer noch nicht gefunden worden.
In der DDR wurde eine Gedenkstätte am Friedhof in Lieberose errichtet, der die jüdische Identität der Opfer mehr oder weniger verschweigt. 1971 wurde ein Massengrab gefunden, die Leichen in der Folgezeit exhumiert. Entgegen dem jüdischen Ritus, der eine Einäscherung verbietet und ohne Rücksprache mit der jüdischen Gemeinde in der DDR verbrannte man die Leichen und setzte sie als Opfer des Faschismus in der Gedenkstätte bei. Darauf, dass sie deportiert und ermordet wurden, weil sie Juden waren, wie üblich kein Hinweis.
Jamlitz/Lieberose ist für das Gedenken insofern ein komplizierter Ort, weil nach 1945 in Jamlitz ein sowjetisches Speziallager eingerichtet wurde. Nun tobt der Kampf um die Erinnerung in den umliegenden Gemeinden. Ein kleines, in der DDR vom Lehrer Peter Kotzan mit Schülern begründetes Privatmuseum erinnert an den Judenmord. Schon in der DDR versuchte diese Initiative, Kontakte nach Israel zu knüpfen.
Die Verfolgten den Stalinismus versuchen seit 1990, wie auch in der Gedenkstätte in Sachsenhausen, im antitotalitären Konsens, ihr Leiden in den Vordergrund zu rücken. Sie sind jünger als die wenigen KZ-Überlebenden, sie sind Deutschte, sie haben auch regional eine Lobby.
2003 wurde eine Gedenkstätte eröffnet, die – in völliger Verkennung der tatsächlichen Opferzahlen – 11 Tafeln für die Speziallagerhäftlinge und 19 Tafeln für die KZ-Häftlinge vorsieht. (Die Sowjets nahmen keine Massenexekutionen vor, einige der von den Sowjets Internierten waren NS-Täter, aber was zählt das schon im Zeitalter des Gedenken der Opfer „von Krieg und Gewaltherrschaft“). Entgegen einer Resolution des EU-Parlaments aus dem Jahr 1993, nach dem der Opfer von vor und nach 1945 räumlich getrennt gedacht werden sollte, sind diese Tafeln nur durch einen Feldweg getrennt.
Ins öffentliche Bewusstsein rückten die Nazi-Opfer wegen der erneuten Suche nach einem zweiten Massengrab. Es wird auf einem Privatgrundstück vermutet. EinWohngebiet wurde ab 19149 auf dem Gelände des ehemaligen KZ erbaut. Der Eigentümer des Privatgrundstücks weigert sich, die erforderlichen Sucharbeiten auf seinem Grundstück zu dulden. Das befasste LG Cottbus prüfte vor allem das Gräbergesetz und ein Abkommen mit Ungarn über Kriegsgräber. Es wollte keine Durchsuchungsbefugnis zur Feststellung der Gräber feststellen. Das Privateigentum und der Schutz der Wohnung, zu dem auch das Grundstück nach Art. 13 GG gehört, (womöglich auf einem Massengrab) überwiegen.
Unklar ist, neben den sprachlichen Wertungen, warum brandenburgisches Polizeirecht angewendet wurde. Die Strafprozessordnung hätte deutlich mehr Eingriffsmöglichkeiten geboten. Vielleicht sollte einmal jemand Strafanzeige gegen unbekannt wegen Mordes erstatten, (vielleicht leben noch Täter?)
Interessant auch, wie das Gericht entschieden hätte, wenn es sich um deutsche Soldatengräber gehandelt hätte.